In den Tagen vom 7.8.22 bis zum 12.8.22 sind wir, also Kristina, Sibylle, Claudia, Ralf, Thomas und Markus, ins Herz der Schweizer Alpen gekommen um die Maderanertal Runde zu gehen.
Nach einer langen und ereignislosen Anreise trafen wir uns am Sonntagmorgen in Silenen zu einem gemeinsamen Frühstück. Später fuhren wir hoch nach Bristen und stellten die Autos auf den Parkplatz bei der Seilbahn. Das Ganze bei tiefhängenden Wolken und Nieselregen. Mit der urigen Golzeren-Seilbahn fahren wir die ersten 400 hm auf und gehen gemütlich los zur Windgällenhütte. Der Nebel bleibt uns die ganze Zeit bis nach oben erhalten. Wider Erwarten schaffen wir die Strecke mit 600 hm ganz genau in der angegebenen Zeit. Es sollte das letzte Mal auf der Rundtour sein, das uns das gelingt.
Alle Einheimischen reden davon, wie toll das Wetter sei, nur – wir sehen davon rein gar nichts… Nach einem Willkommenstrank fallen wir der Reihe nach ins Bett. Ein gutes Abendessen und eine ruhige Nacht stellen unsere Kräfte aber schnell wieder her. Ein ausgiebiges Frühstücksbuffet stärkt uns und um 8 Uhr geht es los zur Hüfihütte.
Zu Beginn geht es geruhsam leicht bergab durch Almgelände, dann teils recht steil insgesamt 600 hm hinab zum Steg über den rauschenden Chärstelenbach, welcher vom Hüfifirn herunterkommt. Durch viele Pausen zum Schauen und Staunen brauchen wir fast drei Stunden bis dorthin. Im Laufe des Vormittags hat sich das Wetter sehr zum Positiven entwickelt und so wird es dann auch die ganze Woche über bleiben. Nach dem Steg zieht sich der Weg gewaltig in die Länge. Zum Glück noch recht schattig geht es straks bergan. 900 hm sind es bis zur Hütte. Die erste Hälfte des Wegs ist noch schattig und führt durch lichten Erlenwald, danach wird es dann hochalpiner, sonniger und wärmer. Kurz nach 15 Uhr sind wir dann rechtschaffen fertig endlich an der Hüfihütte angekommen.
Bei wechselnder Sonne – Wolke – Wärme – Kälte verbringen wir den Nachmittag auf der Terrasse. Das Panorama hier ist umwerfend. Beim Blick in die Felswände im Norden kann man sich im Josemite Valley wähnen. Weiter hinten im Tal liegt in der Nachmittagssonne glänzend der immer noch prächtige Hüfifirn. Und quasi senkrecht über uns thront der Hüttenberg, der Groß Düssi, ein reinrassiger Klettergipfel. Abends ein gutes Nachtessen und eine gute Nacht in viel zu kurzen Lagern bereiten uns angenehm auf die nächste Etappe vor.
Gegen 8 Uhr starten wir von der Hüfihütte den Weg zurück, den wir tags zuvor aufgestiegen waren. Zum Glück nicht ganz bis unten. Knapp über der Waldgrenze biegt der „Schafsteig“ links ab in den steilen Felshang. Eindrücklich steil, aber gut markiert und versichert steigt der Weg durch die von unten unüberwindbar scheinende Wand und mündet oberhalb auf eine wunderschöne Terrasse. Hier genießen wir erstmals für heute die Sonne und das grandiose Panorama. In leichtem auf und ab wandern wir durch Wiesen zu unserem Zwischenziel, der Hinterbalm Hütte. Dort um die Mittagszeit angekommen, gab es hervorragenden Kuchen und kühle Getränke. Überhaupt ein sehr uriger Ort. Ein Geheimtipp für zukünftige Touren?
Gestärkt geht es ins Brunnital hinein um die Cavardiras Hütte als Etappenziel zu erreichen. Das faszinierende an der Urlandschaft hier im Maderanertal ist, das es hinter jeder Ecke anders aussieht. Manchmal alle halbe Stunde wähnt man sich in einer neuen Welt. Der Weg beginnt erst angenehm und ruhig dem Brunnibach folgend. Zum Ende wird es aber doch recht steil und
trocken. Durch das ewige Geröll unterhalb des Brunnifirns geht es gut markiert und teile versichert durch das Gletschervorfeld hinauf bis an den Rand des Gletschers. Nun den unübersehbaren Pylonen folgend durch lockeren Moränenschutt auf den Cavardiras Pass und in ein paar weiteren Minuten ist dann auch die Hütte erreicht. Fast Fünfeinhalb Stunden haben wir von der Hinterbalm Hütte bis hierher gebraucht.
Nun ist es bald 18 Uhr und wir erfahren als erstes dass es hier oben kein Wasser hat. Ambivalente Gefühle kommen in den folgenden Stunden hoch. Einerseits diese tollgelegene, urtümliche Hütte vom ganz alten Schlag, die Aussicht auf bekannte und unbekannte Gipfel und Täler, anderseits die Aussicht auf zwei Tage ohne Körperpflege….
Der Klimawandel macht es möglich, dass ein für die sichere Hüttenversorgung abseits von Regenwasser angezapftes Schneefeld dieses Jahr nicht in Betrieb war. Und zwar die ganze Saison nicht. Schon Ende Juni lag dort auf 2700 m kein bisschen Schnee mehr.
Der folgende Tag ist unser geplanter Ruhetag. Für mich leider sowieso, da meine Schuhe kaputtgehen. Während Sibylle, Kristina, Ralf und Thomas auf den Hausberg, den Gwasmet steigen, ruhen wir andern uns aus. Ich repariere meine Schuhe so gut es geht mit Kleber und Tape. Außerdem versuche ich der Wirtin in der Hüttentechnik zu helfen, da ein Generator streikt. Wenn es kein Wasser hat wird die Küche kreativ. Die Soße kann man auch aus Bier machen und den Dessert aus Apfelsaft.
Donnerstag früh geht der Wecker eine Stunde früher. Bis hierher hatten wir unterwegs so ziemlich unsere Ruhe, aber für heute geht eine große Gruppe den selben Weg wie wir. Damit wir dem aus dem Weg gehen können, machen wir uns schon um 7 Uhr auf den Weg hinüber zur Stremlücke.
Dort in der Stremlücke, rätoromanisch Fourcla dal Strem Sut, wurden vor kurzem, wie wir auf der Hütte erfahren haben, die bislang ältesten menschlichen Artefakte im Hochgebirge gefunden. Scheinbar wurden dort schon vor 6000 Jahren Bergkristalle gefunden und abgebaut.
Der Weg führt längs über den Brunnifirn. 20 min nach der Hütte legen wir am Rand des Gletschers die Eisausrüstung an. Der Brunnifirn ist zwar recht flach und dieses Jahr komplett schneefrei, die Steigeisen sind jedoch trotzdem richtig. Gegen die Lücke hin steilt das Eis etwas auf, ganz oben hat es eine Welle, deren Steilheit so etwa die Grenze dessen ist, was noch ohne weitere Sicherungsmaßnahmen zu gehen ist. Nach der Stremlücke geht es auf der anderen Seite wieder runter. Und zwar steil. Richtig steil. Fieser Gletschergrieß und Geröll leitet uns die ersten paar hundert Höhenmeter hinab zu einem sonnig gelegenen Seelein. Ein prima Pausenplatz. Unterhalb des Sees beginnt die Markierung wieder, allerdings ungewohnt rot-gelb. Aus alter Erfahrung ahne ich, das gibt Ärger…
So war der weitere Abstieg ins Val Strem auch von einigen Irrungen und Wirrungen begleitet. 850 Tiefenmeter später unten im Tal angekommen sind wir wieder in einer andern Welt. Eine Welt des Wassers. Hier ist jeder Quadratmeter des Talgrundes sichtbar vom Wasser gestaltet. So ist die weitere Orientierung, also auch die Überquerung der zig Wasserläufe nicht so einfach. Markierungen gibt es wenig, Steinmänner gar nicht, die werden wohl immer wieder weg geschwemmt. Aber es gibt eh nur die eine grobe Richtung: Talauswärts. Also plantschen wir eine knappe Stunde, bis wir am Abzweig zum Chruetzlipass stehen. Jetzt geht es in der Nachmittagssonne wieder schweißtreibend bergan, 300 hm sind es bis zum Pass. Aber auch das schaffen wir und nach einer letzten Verschnaufpause kommt der Endspurt. Die 300 hm wieder hinunter ins Etzlital und zu guter Letzt noch ein allerletzter Anstieg zur Etzlihütte. Wieder war es ein sehr langer, eindrücklicher und ereignisreicher Tag. Beim Abstreifen meiner Schuhe löst sich die Sohle nun wohl endgültig vom linken Schuh.
Freundlich ist man hier auf der Etzlihütte. Es gibt Wasser im Überfluß und abends ein sehr gutes Essen. Dem schließt sich eine gute, ruhige Nacht an. Morgens gibt es ein Buffet mit allem was die Schweizerische Esskultur so an Leckereien zu bieten hat. Großes Kino. Und mein Schuhproblem löst sich durch eine dicke Rolle Tape vom Hüttenwirt.
Bedingt durch das opulente Frühstück machen wir uns verspätet auf die letzte Etappe. Heute geht es nur noch abwärts hinab zum Ausgangspunkt. Etwa 1200 hm hinab nach Bristen liegen noch vor uns. Das Etzlital ist wieder eine neue Welt. Anders als die Gebiete durch die wir vorher gelaufen sind. Von unten bis oben durch Almwirtschaft geprägt geht es durch Wiesen, Weiden und Almsiedlungen. Der untere Teil des Weges folgt dementsprechend einer Fahrstrasse. Nur die letzten 100 hm hinab in den Ort sind dann nochmal holpriger Waldwanderweg. So langsam lassen unsere Kräfte nach und wir sind froh unten im Ort die Beine ausstrecken zu können. Zum Abschluß sitzen wir noch bei einer Riesenportion Spaghetti beisammen. Dann geht es für einen Teil der Gruppe Heim nach Krefeld, Claudia und ich fahren noch etwas weiter nach Süden.
So geht eine Tour zu Ende, die uns in unterschiedlicher Weise jeden Tag aufs neue beeindruckt hat. Das Maderanertal bietet eine Landschaft, deren Ursprünglichkeit und Weite ich mitten in der Schweiz so nicht erwartet hätte. Rundum gastliche Hütten auf denen man gern gesehener Gast ist und sich wohlfühlt. Das für manche von uns ungewohnte Flair in den schweizerischen Hütten ist eine Erfahrung für sich, immer wieder angenehm. Eine anstrengende Runde mit vielen Höhenmetern und ein paar Orientierungsschwierigkeiten. Aber sehr, sehr lohnend.
Bis zum nächsten Mal,
Markus Becker
Bildergalerie