Ein persönlicher Erfahrungsbericht

Liebe Bergfreundinnen und Bergfreunde, 

der Bergsommer 2024 ist zu Ende und die Wintersportsaison schon in vollem Gange. Für jeden von uns ist spätestens jetzt der richtige Zeitpunkt, um Bilanz zu ziehen und einen Blick auf die persönlichen Highlights und Erfahrungen zu werfen, aber auch nochmal das Gesamtbild des Sommers zu betrachteten.

Für mich persönlich stechen vor allem zwei Wochen ereignisreiche Wochen heraus, von denen ich gerne ein wenig berichten würde. 

Im Sommer 2023 habe ich die Entscheidung getroffen, dass ich nach meinem Abitur für 2 Wochen alleine durch die Berge wandern möchte, um gedanklich ein bisschen Abstand zu gewinnen. Leicht gesagt, etwas aufwändiger getan. Auch wenn es erst im Juni des kommenden Jahres los gehen sollte, wurde bereits im Vorfeld einiges an Zeit investiert, um dieses Abenteuer vorzubereiten. 

Wie bei jeder Tour muss selbstverständlich zuerst eine Route stehen, auch wenn das bei 2 ganzen Wochen etwas mehr Auswahlzeit (und Liebe zum Detail) benötigt. Viele unterschiedliche Aspekte und Faktoren müssen bedacht werden. Die Jahreszeit spielt natürlich eine Rolle – gerade zum Sommerbeginn variiert das Wetter und damit auch die Gegebenheiten der Wege enorm. Klar, die Erfahrensten unter uns nutzen die Zwischensaison, um den hohen Preisen und Menschenmassen des Hoch- und Spätsommers aus dem Weg zu gehen, jedoch ist hier vor allem ein gewisses Maß an  Selbsteinschätzung wichtig: Meine persönliche Bergerfahrung reicht zwar bis in meine früheste Kindheit zurück, doch als Rheinländerin sind das nun einmal immer nur wenige Wochen im Jahr. Dazu kommen natürlich die fehlenden Höhenmeter davor und die neue Situation des alleine unterwegs sein. So fiel bei mir die Wahl auf den zu Beginn wenig schwierigen aber aufgrund der Etappenlänge doch gelegentlich anspruchsvollen Nordalpenweg (Wien bis Bregenz). Geplant war, die ersten Etappen bis nach Eisenerz zu absolvieren.

Anhand unterschiedlicher Erfahrungsberichte (in Wanderführern und online) sowie Absprachen mit meinen üblichen Wanderbegleitern ließ sich gut einschätzen, dass der Weg für mich zu diesem Zeitpunkt ohne (größere) Schwierigkeiten begehbar ist. 

Mit dieser Entscheidung beginnt dann der fundamental wichtigste Aspekt jeder Tour: Die Vorbereitung. Egal ob in dieser Ausführlichkeit notwendig,  schaden  tut  mehr Vorsorge nie und diese konnte mir so auch wirklich vorher und im Laufe der Reise weiterhelfen und Sicherheit geben. Vorbereitung als solches ist natürlich ein weit gefasster Begriff und besteht aus unterschiedlichen Schritten. 

Zunächst hat die Detailplanung der Route höchste Priorität. Tourvorgaben früherer Wegbegeher finden sich immer und als Orientierung können diese allemal dienen. Wichtig waren natürlich vor allem die tägliche Streckenlänge, die Höhenmeter (sowohl hoch als auch runter, denn besonders letzteres kann weh tun) und die jeweiligen Wegprofile (Beschaffenheit und bei langen Touren Allwettertauglichkeit), kombiniert mit den möglichen Einkehr-, Versorgungs-, und Übernachtungspunkten. Im Zuge dessen habe ich mir auch direkt das notwendige Kartenmaterial besorgt – sowohl haptisch als Absicherung als auch digital.

Nachdem dann so gut wie alle Übernachtungen passend zu den Streckenabschnitten und natürlich auch die An- und Abreise (mit den Öffis) gebucht waren, ging es weiter zu der Ausrüstung. Da muss natürlich  nicht alles „fancy“ und neu sein, doch gilt es zur persönlichen Sicherheit in bestimmte Bereiche zu investieren. Gute Schuhe und auch Socken sind ein Muss – damit wir nie wieder von „Bergtouristen in Flipflops“ hören müssen – genauso wie eine taugliche Regenjacke. „Gut“ steht meiner Meinung nach primär für ein vernünftiges Profil und eine ausreichende Stabilität. Während ich in klassischen Bergschuhen unterwegs war, geht der Trend mittlerweile aufgrund des Gewichtsvorteils und der Bequemlichkeit zu Trailschuhen.  Ansonsten ist es natürlich an jedem selbst, sich seine favorisierte Kleidung auszusuchen. Wichtig ist nur auf warme und sehr kalte Temperaturen vorbereitet zu sein. In meinen zwei Wochen war von Mitte 30  bis um die 10 Grad mit Dauerregen alles dabei, aber auch an einem Tag sind große Schwankungen möglich.  

Sonnenschutz ist generell ein wichtiges Thema, in den Bergen natürlich um so mehr, ebenso wie die obligatorische Notfallausrüstung. Taschenmesser, erste Hilfe und Medikamente, Rettungsdecke und/oder Notfallbiwaksack.  Zu dem Zeitpunkt des Packlisteführens  bin ich noch aufgrund eines telefonischen Missverständnisses davon ausgegangen, eine Nacht draußen an einer geschlossenen Schutzhütte zu verbringen. Dafür ist diese minimale Ausrüstung eigentlich nicht geeignet, aber sie gibt Sicherheit „für den Fall das“. 

Dann fehlt noch die Elektronik – Die Powerbank und, für die Alleingänger, gerne ein zusätzliches Ortungsgerät. 

Obwohl auf dem Weg ein leichter Klettersteig (A/B) lag, habe ich für mich die Entscheidung getroffen, die Ausrüstung dafür und auch den Helm nicht zu benötigen. Letzten Endes verwandelte an dem Tag Dauerregen den Klettersteig bergab schon in eine ordentliche Rutschpartie, dementsprechend ist es immer eine gute Idee, eben Jenes einzupacken. 

Am dankbarsten war ich aber letzten Endes über meine Stöcke, da zu der Jahreszeit gerade die Wege im Bereich unter 1.500 hm (noch) nicht gemacht waren und ich öfter als mir lieb ist im hüfthohen (und leider oft dornigem) Gestrüpp unter Wegs war. Diesbezüglich Informationen finden sich im Bergsportbericht. Sonst landet man gerne aufgrund einer Sperrung auf einer unüberwindbaren Kuhwiese. 

Training ist bei vielen Strecken essenziell, in meinem Fall war das Fehlen nicht schlimm, da die Strecke leichte Wanderwege in mittlerer (um die 20 km) Länge mit mäßiger Steigung abdeckte, bei anderen, technisch anspruchsvolleren Wegen kann das schnell anderes aus sehen. Dementsprechend hier die wiederholte Selbsteinschätzung – auch kombiniert mit Respekt vor der Bergrettung (die übrigens auch mittlerweile für DAV Mitglieder kostet!). Situationen wie am Jubiläumsgrad, wo sich jemand mehrfach hintereinander innerhalb weniger Tage hat herunterholen lassen möchte niemand mehr erleben, ebenso aber auch nicht die Art Fehleinschätzung, die zu Abstürzen führen. Ich für meinen Teil bin vorher nochmal mit meinem Vater los, ins Bergische Land, um bei 28 km und 800 hm mal zu testen, ob das überhaupt irgendwie hinhauen kann.

Für mich ging es dann wenige Tage nach dem Abiball los – über Nacht mit der Bahn.  Auch wenn dabei nicht unbedingt alles glatt lief, kann ich nur jedem ans Herz legen, möglichst nachhaltig zu Reisen und gerne auch die Öffis zu nehmen. Vor allem junge Erwachsene können dort deutlich günstiger Reisen. Unterwegs mit gut 10 Kilo Gepäck auf dem Rücken ging es einmal die erste Etappe (…16km) durch Wien – Sightseeing und die Verpflegung für die ersten Tage kaufen. 

Wichtig hier natürlich die Wasserversorgung – lieber zu viel als zu wenig – und das klassische Bergessen. Das Bergbrot/-brötchen, Energieriegel, Nüsse und Dattel, zudem noch Elektrolyte für die Getränke. Es ist immer Besser, noch etwas mehr dabei zu haben. 

Der Wetterbericht die Tage davor natürlich immer ein treuer Begleiter – denn auch wenn ich keine Rücksicht auf Regen oder Hitze nehmen konnte, gibt es immer Wetter, bei dem es eben doch nicht geht. Aufgrund der ungemeinen Hitze begannen die ersten Tage immer etwas früher, auch um die all  abendlichen Gewitter zu meiden. Direkt am ersten Tag dann natürlich trotzdem vom Wetter erwischt und im finalen Anstieg im Wald in einem Gewitter gestrandet. Obwohl grundsätzlich gilt, sich von allen metallischen Gegenständen (Stöcke sind da natürlich prädestiniert zu entfernen) und sich möglichst weg von Bäumen in eine Senke zu hocken, habe ich mich für den einigermaßen nahe gelegenen Parkplatz mit Restaurant entschieden. Eine klassische Ermessensentscheidung. 

Auf den Hütten selbst gibt es üblicherweise ein Mitgliederessen und ein Getränk. Diese müssen bestimmte Vorgaben erfüllen und sind zudem preiswerter als die restlichen Angebote. Wichtig ist nur, aufgrund des Transports immer mit höheren Preisen zu Rechnen und natürlich alles in bar dabei zu haben. Mobilfunk ist auch eher rar gesät, so auch  gerade am Abend des deutschen EM-Aus, wo  der eine Balken Netz einige hundert Meter von der Hütte entfernt zu finden war. 

Die Wanderbegleiter der nächsten Tage traf ich bereits auf der ersten Hütte, aber erst als wir uns am folgenden Tag aufgrund der Wegsperrung gleichzeitig in einem Dörflein einfanden, fiel die Entscheidung recht schnell, zusammen weiter zugehen. Und um ehrlich zu sein habe ich auch damit gerechnet, auf der Strecke andere Wanderer kennen zulernen und so nicht “wirklich” alleine unterwegs zu sein. So wurde sich interkulturell ausgetauscht und das ein oder andere lokale Wort weitergegeben.  Und da wir uns trotz drei unterschiedlicher Karten und GPS Systeme fast verlaufen hätten, ist es eindeutig wichtig,  auch haptische Karten lesen zu können.  

Nebenbei waren die ersten Tage auch gerade die heißesten mit längeren Strecken und auch wenn so alles in allem die geplante Zeit deutlich überschritten wurde, sind in so einem Fall ständige Trinkpausen im Schatten immens wichtig und ein Lebensretter. 

Nach vier Tagen wandern stand für mich der erste Ruhetag im Tal an, danach ging es  alleine weiter. Und dieser war auch dringend nötig, wie die Mittagspause bei einer Tagestour. 

Weiter ging es mit Unterstützung der Raxbahn  durch einen ziemlichen Wetterumschwung einmal übers Raxmassiv, wobei ich zwischenzeitlich einen weiteren Punkt auf meiner symbolischen Bingocard abhaken konnte – den schnapsbrennenden Hüttenwirt. Aufgrund einer zwischenzeitlich pächterlosen Hütte (kleine Werbung für die Petition des Östereichischen Alpenvereins gegen das Hüttensterben, also wenn möglich bitte Unterschreiben!) anders als der eigentliche Routenverlauf.  Am Tag über die Heukuppe – der erste 2.000er der Tour – stellte sich eine Sichtweite von wenigen Metern ein. Das sorgte letzten Endes sogar für den Verlust des richtigen Weges zu Gunsten der Gipfelumgehung, und kann deutlich schlimmer mit Verlust der Orientierung und Absturz enden, deswegen auch hier die Risikobewertung unfassbar wichtig. Der nachfolgende A/B Klettersteig lehrt aber auf jeden Fall, dass die Schwierigkeit immer von den Umständen abhängt.

Nach einer Nacht im Tal – von der Planung her als Notausstieg gedacht – folgte ein schöner Tage mit der ersten Aussicht von einen Gipfel, der Hohen Veitsch, und der bisher anstrengendste Tag mit viel Steigung hinten raus und einer weiten Strecke. Egal bei welcher Tour – als Beispiel dient immer der Watzmann – laugt eine lange Strecke aus, auch wenn die Höhenmeter sonst kein Problem sind. 

Nach Überstehen der Etappe heil froh auf der (vorletzten) Hütte angekommen zu sein, natürlich übers Wochenende brechend voll, begannen zudem 3 Tagen ohne Internetverbindung, was einige engere Familienangehörige doch etwas in Sorge versetzte. Anstelle dann bei ähnlich schönem Wetter am nächsten Tag aufzubrechen um das Highlight der Tour, den Hochschwab, zu besteigen, erneut bei Nebel und Starkregen. Erst wenige hundert Meter von der Hütte entfernt begegneten mir einige weniger häufige Berglebewesen: Steinböcke mit Jungtieren. Im Gegensatz zu Gämsen sind sie nicht die klassischen Fluchttieren und können auch uns Menschen gefährlich werden. Um die Tiere zu achten und sie nicht in ihrem natürlichen Umfeld zu stören, gilt es hier üblicherweise, auch zur eigenen Sicherheit einen großen Bogen herumzugehen, was leider in dem schmalen Hochtal nur bedingt möglich war. Nach den darauffolgenden 350 hm natürlich vollständig durchnässt, musste sich auf der dort liegenden Hütte die Zeit genommen werden, eine Stunde zu trocknen. Egal wie anstrengend es noch werden sollte – eine Unterkühlung wollte ich nicht riskieren. Trotzdem ging es dann in abklingenden Regen auf den letzten Gipfel, wobei Orientierung nur aufgrund von Stangen zur Wegfindung im Schnee möglich war. Ohne diese hätte ich vermutlich den Rückweg angetreten – im direkten Absturzgelände einfach zu gefährlich. Trotzdem ist mir an dem Tag noch eine herumirrende Familie begegnet, die das Wochenende mit einer Wanderung ausklingen lassen wollten, aber zu dem Zeitpunkt bestimmt schon eine halbe Stunde den falschen Weg heraufgestiegen sind. Allgemein sollte immer klein, also einfach angefangen werden und sonst auf Wander- und Bergführer sowie Gruppen zurückgegriffen werden.

Der folgende letzte Tag war dann zwar wettertechnisch nicht unbedingt besser, doch ging es nur ins Tal hinunter nach Eisenerz. In dem vom Bergbau lebenden Ort in irgendeinem Seitental ist die Busanbindung immer noch gut genug, um mehrmals täglich in die nächste Großstadt zu kommen. Zur Erhaltung der Berge in der heutigen Form und zum Schutz der Flora und Fauna vor dem Klimawandel können und müssen wir alle unseren Beitrag leisten – und nachhaltiges An- und Abreisen gehört dazu, ebenso wie die Auswahl von Equipment bzw. Kleidung und natürlich der Achtung von Wegen in Schutzgebieten. So habe ich meinen Müll gerne auch mal mehrere Tage mit mir rumgetragen, dementsprechend wird das bei einem Tag auch jedem möglich sein. 

Alles in allem also eine Reise, die vor allem durch gute Planung und gute Ausrüstung gelungen ist, auch wenn das Taschenmesser nur zum Schneiden einer Wassermelone verwendet wurde. 

Es wird dem Leser schon aufgefallen sein, dass dieser Bericht ganz bestimmt keine klassische Tourenbeschreibung darstellt. Vielmehr soll hiermit exemplarisch in Erinnerung gebracht werden und als Beispiel dienen, was vor und bei jeder Tour für jeden vom normalen Wanderer bis zum Bergsteiger wichtig ist und im Vorhinein bedacht werden muss. Bei der Bewertung dieses Bergsommers sind es gerade die vielen Meldungen über Unfälle, Abstürze und Rettungseinsätze, die oft mit einem größeren Maß an Vorbereitung, der richtigen Ausrüstung und einer realistischen Selbsteinschätzung wo möglich hätten vermieden werden können. Daher möchten wir mit diesem Artikel diese scheinbar selbstverständlichen Dinge in Erinnerung bringen, damit wir alle immer wieder glücklich und gesund von unseren Touren zurückkehren. Denn nach dem Bergsommer ist vor dem Bergsommer und man kann nie zu früh mit der Planung beginnen. 

Franziska Fischer

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